In Buenos Aires wohnten meine Großeltern in Belgrano in einem Einfamilienwohnhaus mit einem kleinen Garten in dem eine Palme stand. Die Veranda war mit großen weißen und schwarzen Fliesen verlegt. Als meine Tante in den 70-er Jahren an diesen Ort zurückkehrte, konnte sie sich noch genau an dieses Fliesenmuster erinnern. 🙂

1932 kam Jürgen (mein Vater) auf die Welt und war – dank Monroedoktrin – somit Argentinier.

Ein Jahr später folgte meine Tante Marianne. Just zu an dem Tag spielte im Hof des deutschen Spitals ein Leierkasten. Dies war in Buenos Aires eine Sensation und alle Schwestern und Ärzte lauschten an den Fenstern, da sie solch eine Musik noch nie gehört hatten. Meine Großmutter erzählte später, dass sie um ein Haar bei der Geburt alleine war, und sich erst lautstark in Erinnerung rufen mußte, weil alle so andächtig der Musik lauschten.

1935 erblickte schließlich mein Onkel Christian die Welt. Er wurde als Baby mal in seinem Kinderwagen in den Garten gestellt. Kurze Zeit später entdeckte seine entsetze Mutter, als sie nach ihm schaute, eine riesige Kokosnuss direkt neben dem Kinderwagen. Zum Glück war nichts passiert, aber danach durfte kein Kind mehr im Schatten der Palme „abgestellt“ werden. Ja, andere Länder, andere Gefahren.

Mein Großvater Fritz leitete zu dieser Zeit verschiedene Mühlen in Argentinien und Uruguay und liebte seine neue Verantwortung. Er verdiente so gut, dass sich die Familie Köchin, Stubenmädchen, Kindermädchen und sogar einen Chauffeur leisten konnte.

Es folgten sehr schöne und unbeschwerte gemeinsame Jahre. Lediglich die argentinischen Sommermonate (bei uns die Weihnachtszeit) machten ihnen aufgrund der drückenden, schwülen Hitze sehr zu schaffen.

Mein Vater erzählte mir, dass er nahezu den ganzen Tag mit seinem Dreirad unterwegs war. Nachdem es ein paar Häuser weiter eine Tankstelle gab, fuhr er mit seinem Dreirad mehrmals die Woche dort hin. Der Tankwart kannte ihn schon gut und hielt den Zapfhahn jedes Mal so über den Roller, dass der Dreikäsehoch sehr stolz und „vollbetankt“ wieder heimradeln konnte. Aufgrund der täglich abgespulten Kilometer musste er aber binnen weniger Tage wieder volltanken fahren …

1936 fuhr Elfriede (meine Großmutter) mit den 3 Kleinen und einem Kindermädchen für einige Monate zurück nach Deutschland. Fritz folgte ihnen erst später, da er sich beruflich nicht so lange abseilen konnte.

Meine Tante berichtete oft von dieser Schiffsreise. Sie und mein Vater (3 und 4) konnten damals bereits manierlich essen und durften daher am Abend im Speisesaal des Schiffes mitkommen (während der kleine Christian mit dem Kindermädchen in der Kabine blieb). Das war der Höhepunkt des Tages. Als einzige Kinder mit blauen Augen und wirklich allerliebst anzusehen, wollten alle Kellner immer den Tisch mit den Kindern bedienen. Sie verwöhnten die beiden und brachten ihnen jeden Tag allerhand Leckereien. Die Reise war für die Kinder ein richtiges Abenteuer. Sicherlich auch für Elfriede. Wenn ich mir heute vorstelle mit 3 Kleinkindern alleine (selbst mit Kindermädchen) eine Schiffsreise zu machen, kann ich dem wenig Entspannendes abgewinnen. Allein, die Angst, dass einer der Abenteurer über Bord gehen könnte. Schiffe zur damaligen Zeit waren alles andere als „kindersicher“. Das Beitragsbild zeigt die drei übrigens an Deck des Schiffes.

In Deutschland wurden viele Verwandte besucht, in Potsdam und Berlin. Sie alle hatten die 3 Kinder bisher ja noch nicht kennenlernen können.

Fritz folgte seiner Familie einige Wochen später nach und flog – daheim in Deutschland – mit dem Zeppelin. Es war damals ein wirklich außerordentliches Ereignis und sicher die aufregendste Reise seines Lebens. Nur wenige Monate danach kam es zur Hindenburg Katastrophe.

Die Kinder sahen das erste Mal Schnee im Schwarzwald und waren an der Ostsee. Schließlich fuhren sie alle wieder zurück nach Buenos Aires.

Fritz erlitt kurz später eine sehr hartnäckige Gürtelrose von der er sich kaum erholte. Auch die Hitze war für ihn und Elfriede immer schwerer zu ertragen. So beschlossen sie, wieder dauerhaft nach Europa zurückzukehren. Vielleicht auch wegen der Prophezeiung, beim Begräbnis seines Vaters – Fritz war schließlich bald 39 Jahre.

Im Jänner 1938 verließ die Familie – nach sorgfältiger Planung – Argentinien. Mein Großvater hatte ein sensationelles Jobangebot in Wien bekommen.

Es folgten ein paar Monate in Berlin, danach ging es weiter nach Österreich.

Da das Haus in Wien noch nicht bezugsfertig war, blieben Elfriede und die Kinder am Semmering in der Meierei. Fritz musste hingegen in Wien sein, kümmerte sich um die Fertigstellung des Hauses und war nun Generaldirektor der Ersten Wiener Walzmühle Vonwiller. Er hatte seinen eigenen Chauffeur und besuchte die Familie immer am Wochenende.

Mein Großvater und Autofahren – das war aber scheinbar ein besonderes Thema. Er hatte vor Jahren zwar den Führerschein gemacht, aber nie große Ambitionen sich selbst hinters Lenkrad zu setzen. Einmal wollte er jedoch den Wagen selbst lenken. Nach der zweiten Kurve am Semmering flehte ihn sein Chauffeur an: „Herr Generaldirektor! Ich habe Frau und Kind, bitte lassen Sie mich fahren, ich möchte meine Familie wiedersehen!“ Danach hat sich Fritz nie wieder hinter ein Autolenkrad gesetzt. 😉

Fortsetzung folgt ….

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