Es gibt ja heutzutage nicht mehr sehr viele Familienbetriebe mit einer mehr als 70-jährigen Firmengeschichte. Um diesen Umstand entsprechend zu würdigen bin ich mal für mehrere Stunden in unserem Familienarchiv verschwunden, habe die Memoiren meiner Tante durchstöbert und zahlreiche alten Fotoalben.

Was soll ich sagen? Das war wirklich spannend und viele von den nachfolgend erwähnten Anekdoten meiner Familie kannte ich bis jetzt selbst nicht.

Ziel war, das unglaublich facettenreiche und spannende Leben meines Großvaters und meiner übrigen Familie wiederzugeben.

Ich war 10 Jahre als mein Opa starb. Er war bis zum Schluss täglich im Büro und ein Geschäftsmann wie man sich das so klassisch vorstellt. Ich verbinde leider nicht sehr viele gemeinsame Erlebnisse da er sehr viel auf Reisen war oder die Zeit in seiner Firma verbrachte. Jedenfalls hatte ich als Kind immer großen Respekt vor ihm, weil er mit seinem Anzug und der Brille einen strengen Eindruck machte. Wenn ich bei ihm zu Besuch war (wir wohnten im gleichen Stockwerk), las er mit mir ein Buch oder ich durfte bei seiner Haushälterin stundenlang in der Küche beim Backen „helfen“ und dabei Staubzucker naschen.

Für mich war er bisher eher reduziert als der Namensgeber unserer Firma. Die Recherche hat mir jetzt ganz neue Einblicke in sein Tun und Denken gegeben.

Mein Großvater Friedrich Wilhelm Paul Bloch wurde am 25.10.1899 in Krotoschin/Schlesien geboren. Sein Vater Paul war sehr krank und starb als er („Fritz“) 8 Jahre alt war. In zwei berührenden Abschiedsbriefen schreibt Paul an seine Frau, sie möge nicht zu viel trauern und sein Begräbnis so günstig wie möglich halten. Die Mutter solle nach seinem Tod versuchen, mit ihren drei Kindern bei einem wohlhabenden Onkel unterzukommen.

Während der Begräbnisfeier sprachen Gäste über den Frühverstorbenen, dann blickten sie auf Fritz und einer sagte: „Sein Vater und sein Großvater sind mit 39 Jahren gestorben. Der Fritz wird auch nicht älter werden.“ Ein Ausspruch den der Fritz sein Leben lang nie vergessen hat.

Danach kam für meine Urgroßmutter und ihre Kinder eine relativ ruhige Zeit.

Bis der 1. Weltkrieg begann. Nach einer Kriegsmatura trat Fritz ins Heer ein. Er war an der Ostfront, später an der Westfront. Einmal wurde er mit anderen in einem Stollen verschüttet und hatte dort sicher Todesängste auszustehen.

Fritz war kein sehr kräftiger junger Mann, daher wurde er oft als Meldegänger eingesetzt. Zu dieser Zeit waren unglaublich viele Brieftauben im Einsatz, mit einer Trefferquote von 95%, aber nicht überall waren sie verwendbar. Da die Telefonleitungen immer wieder zerstört wurden, mussten die Kommandanten oft mündlich über Verschüttete, Verletzte, Tote und Verschollene informiert werden.

Mein Opa musste dann von Granatrichter zu Granatrichter laufen und die Feuerpausen ausnützen. Einmal holte Fritz Essen für seine Gruppe. Da sagte ihm der Koch, dass sie doppelt so viel haben könnten, da die andere Batterie voll getroffen wurde und kein einziger von ihnen überlebt hatte.

Es waren traumatische Erlebnisse, die ihm sicher sein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf gingen.

Nach dem Ende des Krieges entschied sich Fritz, den Spuren seines Großvaters zu folgen. So begann er im Herbst 1919 in einer Mühle bei Löwenberg zu arbeiten. Dort erklärte er dem erstaunten Besitzer nach kurzer Zeit, dass er bei ihm nichts mehr lernen könne. Er kündigte und war bald in einer anderen Mühle als Lagerleiter und Buchhalter tätig.

Zu dieser Zeit fehlte es in den meisten Unternehmen an Männern, da viele vom Krieg nicht mehr heimgekehrt waren. Es wurden an allen Ecken und Enden händeringend Mitarbeiter gesucht.

Fritz hatte immer wieder – für die damalige Zeit – originelle Einfälle. Um zum Beispiel festzustellen woher die Konkurrenzmühlen ihr Getreide geliefert bekamen, ging er auf den Bahnhof und notierte sich den Herkunftsort der Waggons. So konnte er für seinen Arbeitgeber komplett neue Geschäftsbeziehungen anbahnen.

1922 wechselte er zur Mühle Rüningen in Braunschweig. Es war die Zeit der extremen Geldentwertung. Fritz ließ sich seinen Gehalt daher lieber in Mehl auszahlen und konnte sich so mit Hilfe von Tauschgeschäften recht gut leben.

3 Jahre später ging er zur Potsdamer Dampfmühle wo er Prokurist und bald darauf Direktor war.

Zu dieser Zeit schrieb Fritz auch zahlreiche Artikel für die Müllerzeitungen. Damals war es scheinbar üblich, dass er nach der Zeilenanzahl bezahlt wurde. Er ärgerte sich maßlos, wenn ihm die schönen langen Wörter, die er sich extra aus dem Lexikon gesucht hatte, gestrichen wurden.

In Potsdam lebte Fritz in der Persiusstraße und fühlte sich dort sehr wohl. Unangenehm war nur, dass der Hausbesorger schon um 7h in der Früh mit dem Klopfen der Teppiche begann und nach seinem Protest empfahl, sich an den Besitzer zu wenden. Nach einiger Zeit beschwerte Fritz sich abermals und bekam die gleiche Antwort. Da sagte er dem verdutzten Mann: „Der Besitzer bin jetzt ich.“ Der Hausbesorger erwartete, dass er daraufhin gekündigt wird. Fritz sagte ihm aber, dass er ein tüchtiger Hausmeister sei und daher bleiben soll – aber geklopft werde erst ab 8h!

Die Persiusstraße gibt es heute noch. Als ich vor einigen Jahren in Berlin war, fuhren mein Mann und ich extra dorthin um das Gebäude in natura zu sehen und Nostalgie schwelgen zu lassen.

Ja, das war mein Opa wie ich ihn aus sämtlichen Erzählungen kenne. Er war immer bereit, fleißige Menschen zu unterstützen. Faulheit verachtete er. Nach seinem Leitspruch „zu wenig verlangen ist Faulheit“ lebte er bis zu seinem Tod. Das brachte ihm nicht nur Freunde, aber die meisten schätzten, dass er ein Mann mit Handschlagsqualität war. Er war sicherlich ein harter Verhandler, stand aber immer zu seinem Wort.

Im Jahr 1929 heiratete Fritz meine Oma, Elfriede Lucas, in Berlin. Es war eine ziemlich unruhige Zeit und meine Oma hat immer wieder erzählt, dass sie bis zum letzten Augenblick nicht wusste, ob sie an dem Tag tatsächlich Hochzeit feiern würden oder nicht. Zu viele Unruhen waren in der Stadt.

Fritz war zwischenzeitlich Direktor der Schüttmühle Berlin, der größten Mühle Deutschlands geworden. Er hatte in dieser schwierigen Zeit sogar mit der Regierung zu verhandeln, es ging um Gesetze über Getreide, die er für die Müller erfolgreich durchsetzte.

Hobbymäßig beschäftigte er sich zu dieser Zeit mit der Konstruktion eines Mehltankwagens. (Ich möchte einwerfen, dass ich hiervon leider nicht viel geerbt habe – mein technisches Verständnis ist mehr als überschaubar. Da hätten sich die großväterlichen Gene schon etwas dominanter durchsetzen können, wenn ich das mal ins Universum schicken darf)

Schließlich wurde der internationale Konzern Bunge Born auf ihn aufmerksam und Fritz bekam das Angebot, nach Argentinien zu gehen und dort einige Mühlen zu leiten. Das war eine komplett neue Herausforderung.

Elfriede und Fritz lernten ein Jahr lang intensiv Spanisch und reisten 1931 nach Buenos Aires. Damals dauerte solch eine Schiffsreise gute 18 Tage.

Fortsetzung folgt …..

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